Und gerade diese Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf den Aufbau der Datenbanklösung, das Aussehen der Eingabemasken und die Funktionalität für die Aufbereitung und für die Weiterverarbeitung der Daten kann ein neuer Typ von Software nicht bieten: Software-as-a-Service, also Mietsoftware, die nicht mehr auf den Computern von Anwendern installiert, sondern über das Internet genutzt wird. Sie werden in der Beschreibung solcher Software vergeblich danach suchen, dass diese besonders gut an Ihre Anforderungen angepasst werden kann. Das ist alleine deshalb schon nicht möglich, weil automatisch eingespielte Updates fester Bestandteil des Mietverhältnisses sind, und die funktionieren natürlich nur bei standardisierter Software, von ein paar individuellen Einstellungen abgesehen. Statt Anpassungsfähigkeit wird grenzenlose Mobilität in den Mittelpunkt gerückt, die allerdings nur dann so richtig funktioniert, wenn sich zusätzlich auch noch Ihre Daten auf – natürlich völlig sicheren – Servern in der Cloud befinden. Geködert wird vor allem damit, dass es keinerlei Anfangsinvestitionen gibt. Und damit eigentlich auch keinen Grund mehr, einmal über die Folgen der Nutzung solcher Mietsoftware nachzudenken. Schliesslich kann man den Mietvertrag ja – theoretisch – jederzeit wieder kündigen. Dass von den vollmundig angepriesenen Vorteilen bei kritischer Betrachtung fast nichts übrigbleibt, habe ich bereits in einem früheren Beitrag aufgezeigt, ebenso die gravierenden Nachteile, zu denen auch die mangelnde Anpassungsfähigkeit zählt. Statt Dokumentationen und Abbildungen zur Mietsoftware gibt es viele leere Versprechungen und ein riesengrosses Tastenfeld '
Sofort loslegen'
. Wir sollen einfach mal ausprobieren… der Rest findet sich dann schon…
Bei internetbasierter Mietsoftware liegen eindeutig die – grössten – Vorteile bei den Vermietern und die – meisten – Nachteile bei den Mietern. Naturgemäss arbeitet Software-as-a-Service nicht mit lizenzpflichtigen Programmen zusammen wie Word für Windows, Excel, Outlook, TwixTel oder Adobe Acrobat, mit denen Sie bisher Ihre Arbeiten im Büro erledigen, denn die sind ja nicht auf irgendwelchen Computern mit Internetanschluss installiert… Dann aber wäre es ja schon wieder vorbei mit der grenzenlosen Mobilität, weshalb Ihnen – z.B. bei Bexio – der Umstieg auf kostenlose Apps vorgeschlagen wird, und damit nicht weniger als auch noch die komplette Anpassung Ihrer Arbeitsgewohnheiten an die Anforderungen der Mietsoftware. Wenn das keine verkehrte Welt ist! So werden Sie langsam und zunächst unbemerkt, dafür aber um so nachhaltiger zum Sklaven Ihrer Mietsoftware.
Sie haben zum Beispiel keinerlei Einblick, wie die Datenbank aufgebaut ist, in die Sie über den Internet-Browser Ihre Daten eingeben oder importieren. Also wissen Sie auch nicht, ob Sie alle Daten wieder in einer brauchbaren Form aus der Mietsoftware herausholen können, sollten Sie zu der Einsicht gelangen, dass sie für Ihre Zwecke doch nicht – so gut – brauchbar ist. Das gab es vereinzelt früher schon bei gekaufter Software, etwa bei Symantec Act! oder cobra Adress PLUS, unter deren ausprogrammierter Oberfläche völlig unnötig mehrere, umständlich miteinander verhängte Datenbanken steckten, wodurch es nur mit einem riesigen Aufwand möglich war, die Daten so aus dem Datenbankengeflecht zu exportieren und zusammenzuführen, dass sie wiederverwendbar wurden. Wir kennen Fälle, in denen vierstellige Beträge geflossen sind, damit Softwarehersteller ihren Ex-Kunden ihre eigenen Daten in einem brauchbaren Format zurückgaben. Software-as-a-Service, die nichts unterlässt, um Abhängigkeiten zu etablieren und zu zementieren, wird Ihnen den Ausstieg sicher nicht leicht machen. Auf einmal stellen Sie fest, dass Sie von Ihrer schönen neuen Mietsoftware völlig abhängig geworden sind, und das auch noch ganz freiwillig… Es hörte sich ja auch alles so toll an, in der Werbung… keine Anfangsinvestitionen und Freiheit ohne Ende… Arbeiten, wo und wann man möchte… so – oder so ähnlich – stellt man sich doch paradiesische Verhältnisse vor… und das auch noch zu erschwinglichen Monatsmieten…
Wir nennen so etwas Abhängigkeiten mit Missbrauchspotential… und das Internet ist ein idealer Ort, um solche Abhängigkeiten aufzubauen… Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Google besitzt die Macht, Ihre Internetseiten gegen Bezahlung in den Suchergebnissen weiter oben erscheinen zu lassen. Je früher Sie erscheinen möchten, desto mehr zahlen Sie… Klar, das ist ja auch vorteilhaft für Sie… sozusagen eine Win-Win-Situation… Doch wer oder was sollte Google – bei aller immer wieder beklagten Intransparenz – davon abhalten, dieselbe Macht zu missbrauchen, damit Sie Ihre Kampagnen immer schön verlängern und immer schön weiterbezahlen… weil Ihre Seiten sonst vielleicht auf einmal nicht mehr angezeigt werden oder sich im hinteren Teil der Suchergebnisse verlieren? Dann könnte am Ende besser dastehen, wer Google Adwords nie genutzt hat, um sein Ranking gegen Bezahlung zu verbessern… Eine abwegige Vorstellung… oder etwa doch nicht?
Wir entdecken neuerdings selbst in den demokratischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts überall moderne Formen der Sklaverei… Die Art und Weise, wie die Hersteller von Software-as-a-Service mit voller Absicht Abhängigkeiten mit Missbrauchspotential aufbauen, das – davon muss wohl ausgegangen werden – früher oder später ganz sicher auch genutzt werden wird, etwa bei der Preisgestaltung, begründet eine solche neue Form der Sklaverei… weil die Anwender dieses Softwaretyps in vielen Hinsichten – oft irreversibel – ihre Freiheit verlieren und von den Machern hinter der Software fremdbestimmt werden, sei es in bezug auf ihre Arbeitsweise, sei es im Hinblick auf ihre Bedürfnisse und Anforderungen, vor allem aber im Hinblick auf die Entscheidung, ob sie deren Software weiterverwenden. Zugespitzt könnte sich der Eindruck erhärten, dass das primäre Interesse der Anbieter von internetbasierter Mietsoftware eine krisensichere, dauerhaft sprudelnde Einnahmequelle ist und dass die Mieter primär einen Nutzen für die Softwarehersteller erbringen, statt umgekehrt. Aber so machen es ja alle. Das ist eben der heutige Trend. Da kann man gar nichts dagegen unternehmen… Solche Begründungen sind immer wieder zu hören… und bestätigen damit vor allem eines: wie dringend nötig Aufklärung im Hinblick auf solche Entwicklungen ist.
Übrigens… Das vollständige Verschwinden von Software, die gekauft und unabhängig von einer aktiven Internetverbindung genutzt werden kann, wäre ähnlich fatal wie die still und leise vorangetriebene Abschaffung des Bargeldes, deren Auswirkungen immerhin schon in die Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit vorgedrungen sind und von einigen sogar als Gefahr für die Demokratie erkannt werden. Es gibt dennoch einen kleinen, aber feinen Unterschied: während die Abschaffung des Bargeldes wohl nur über erst einmal zu beschaffende Mehrheiten an der Wahlurne verhindert oder rückgängig gemacht werden kann, gibt es für Software-Hersteller, die ihre Kunden als Partner – und nicht als cash cows – betrachten, auch in Zukunft überhaupt kein Hindernis, Software zu entwickeln, die man käuflich erwerben kann, um dem Joch der Mietsoftware zu entgehen. Und für uns Anwender gibt es noch längere Zeit keinen zwingenden Grund, uns von unserer gekauften Software zu trennen oder weiterhin Software zu erwerben anstatt zu mieten…